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Rechtfertigt Device-detektiertes Vorhofflimmern mit langen Episoden eine Antikoagulation?

Bei Device-detektiertem Vorhofflimmern scheint das Schlaganfallrisiko im Vergleich zu EKG-detektiertem Vorhofflimmern gering (1 Prozent pro Jahr) zu sein, selbst wenn die Episoden sehr lang sind. Eine Antikoagulation kann das Schlaganfallrisiko etwas senken, aber auch größere Blutungen verstärken. Dies ist das Hauptergebnis einer Subanalyse der NOAH – AFNET 6 Studie, die Dr. Nina Becher, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg, Deutschland, in der Late-Breaking-Clinical-Trials-Session beim Jahreskongress der American Heart Association (AHA) in Philadelphia, USA, vorgestellt hat und die am 12.11.2023 im European Heart Journal veröffentlicht wurde.

Device-detektiertes Vorhofflimmern, auch subklinisches Vorhofflimmern (SCAF) oder atriale Hochfrequenzepisoden (AHRE) genannt, sind kurze und seltene Vorhofarrhythmien, die von implantierten Herzschrittmachern, Defibrillatoren und Ereignisrekordern, die eine langfristige Überwachung des Herzrhythmus ermöglichen, aufgezeichnet werden. Die Episoden ähneln Vorhofflimmern. Bei jeder fünften Person mit einem Herzschrittmacher oder einem anderen kardialen implantierten elektronischen Gerät werden solche Vorhofrhythmusstörungen gefunden (1). Device-detektiertes Vorhofflimmern kann zu Schlaganfällen führen, aber diese Patient:innen haben vermutlich ein niedrigeres Schlaganfallrisiko als Patient:innen mit EKG-dokumentiertem Vorhofflimmern. Daten aus Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass Menschen mit sehr langen Episoden von Device-detektiertem Vorhofflimmern möglicherweise ein höheres Schlaganfallrisiko haben.

Kürzlich wurde in der NOAH – AFNET 6 Studie (Non-Vitamin-K-Antagonist Oral Anticoagulants in Patients with Atrial High rate Episodes) festgestellt, dass die Antikoagulation das Blutungsrisiko bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern erhöht, während Schlaganfall-verhindernde Wirkung geringer war als erwartet (2).

Dr. Becher und das NOAH – AFNET 6 Team untersuchten in der NOAH – AFNET 6 Studie die Wirksamkeit und Sicherheit der Antikoagulation mit Edoxaban bei Patient:innen mit langen Episoden von Device-detektiertem Vorhofflimmern, die 24 Stunden oder länger dauerten (3). Die Ergebnisse stimmen mit der Hauptstudie überein: Antikoagulation hat nur einen geringen Einfluss auf Schlaganfälle und systemische Embolien. Eine zusätzliche Analyse unter Einbeziehung der AHRE-Dauer als kontinuierliche Variable bestätigte, dass die Episodendauer keinen Einfluss auf die Wirkung der Antikoagulation hat. Im Vergleich zu älteren Analysen überraschte die niedrige Schlaganfallrate ohne Antikoagulation. Die Ergebnisse müssen in größeren und unabhängigen Datensätzen bestätigt werden.

Dr. Becher erklärt: „Die Wirkung der Antikoagulation bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern scheint über die Episodendauer hinweg konsistent zu sein, auch bei Patient:innen mit sehr langen Episoden.“ Dies unterstreicht die Notwendigkeit, bei allen Menschen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern die Entscheidung für oder gegen eine Antikoaguation sorgfältig abzuwägen und dabei die Auswirkungen auf Schlaganfälle und Blutungen zu berücksichtigen.“

NOAH – AFNET 6 verglich das Antikoagulans Edoxaban mit einem Placebo (Scheinmedikament). Eine ähnliche Studie namens ARTESiA (Apixaban for the Reduction of Thrombo-Embolism in Patients with Device-Detected Sub-Clinical Atrial Fibrillation) testete ebenfalls bei Menschen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern die Wirksamkeit und Sicherheit eines anderen Antikoagulans, Apixaban. Eine Metaanalyse dieser ersten beiden derartigen randomisierten Studien zur Antikoagulation bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern zeigt übereinstimmende Ergebnisse in beiden Studien (4): Antikoagulation verhindert im Durchschnitt drei Schlaganfälle und verursacht sieben schwere Blutungen pro 1000 Patientenjahre Behandlung.

Professor Andreas Goette, St. Vincenz-Krankenhaus in Paderborn, Deutschland, der an der NOAH – AFNET 6 Studie und an der Metaanalyse beteiligt war, stellt fest: „Im Durchschnitt reduziert die Antikoagulation Schlaganfälle um einen geringen absoluten Betrag. Dieser wünschenswerte Effekt geht aber mit einem Anstieg schwerer Blutungsereignisse einher. Ärzt:innen müssen diese Auswirkungen berücksichtigen, wenn sie individuelle Entscheidungen zur Antikoagulation bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern treffen.“

Professor Paulus Kirchhof, UKE, wissenschaftlicher Leiter der NOAH – AFNET 6 Studie, erklärt: „Wir haben jetzt viel bessere Schätzungen zur Wirksamkeit und Sicherheit der oralen Antikoagulation bei Patient:innen mit Geräte-detektiertem Vorhofflimmern. Wir brauchen eindeutig zusätzliche Methoden, um Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und hohem Schlaganfallrisiko zu identifizieren.“

Literatur

(1) Toennis T, Bertaglia E, Brandes A, et al. The influence of Atrial High Rate Episodes on Stroke and Cardiovascular Death - An update. Europace 2023. DOI: 10.1093/europace/euad166.

(2) Kirchhof P, Toennis T, Goette A, et al. Anticoagulation with Edoxaban in Patients with Atrial High-Rate Episodes. N Engl J Med 2023;389(13):1167-1179. DOI: 10.1056/NEJMoa2303062.

(3) Becher N, Toennis T, Bertaglia E, et al. Anticoagulation with edoxaban in patients with long Atrial High-Rate Episodes ≥24 hours. Eur H J 2023; im Druck.

(4) McIntyre WF, Benz A, Becher N, et al. Direct oral anticoagulants for stroke prevention in patients with device-detected atrial fibrillation: A study-level meta-analysis of NOAH-AFNET 6 and ARTESiA. Circulation 2023; im Druck.

 

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)

Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und weltweit durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte, nicht-kommerzielle, klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene sowie translationale Forschungsprojekte durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie einige Projekte aus EU-Forschungsmitteln gefördert. Das AFNET verfügt über langjährige Erfahrung in der Behandlung von Vorhofflimmern, unterstützt aber auch Forschungsarbeiten in anderen Bereichen, die für die kardiovaskuläre Versorgung relevant sind. Die Erkenntnisse aus der mittlerweile 20jährigen klinischen und translationalen Forschung des Forschungsnetzes haben das Leben von Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessert und Behandlungsleitlinien beeinflusst.
www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de

Finanzierung der NOAH – AFNET 6 Studie: AFNET, DZHK, Daiichi Sankyo

Registrierung NOAH – AFNET 6: NCT 02618577, ISRCTN 17309850

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Mendelstraße 11
48149 Münster
Tel.: 0251 9801330
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AFNET/EHRA Konsensuskonferenz: Internationale Expert:innen diskutieren Ideen zur besseren Behandlung von Vorhofflimmern

Presseinformation

Am 12. und 13. September treffen sich internationale Spezialist:innen für Vorhofflimmern in Münster, um an der 9. AFNET/EHRA Konsensuskonferenz teilzunehmen. „Längeres und besseres Leben für Menschen mit Vorhofflimmern“ lautet das Motto der zweitägigen Expert:innenkonferenz, die alle zwei Jahre gemeinsam vom Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) und der European Heart Rhythm Association (EHRA) veranstaltet wird.

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung und ein wachsendes Gesundheitsproblem in einer alternden Gesellschaft. Etliche Millionen Menschen in Europa und weltweit sind davon betroffen.

AFNET Vorstand Prof Paulus Kirchhof, Hamburg, aus dem vierköpfigen Leitungsgremium der Konferenz erklärt den Hintergrund der Tagung: „Trotz besserer Behandlungsmöglichkeiten erleiden Patient:innen mit Vorhofflimmern immer noch Schlaganfälle und Herzschwäche und sterben vorzeitig. Es gibt verschiedene Ansätze, um die Behandlung von Vorhofflimmern zu verbessern. Wir wollen diese Ansätze zusammenbringen. Die AFNET/EHRA Konsensuskonferenz bietet ein hochrangiges Expert:innenforum, um neue Fortschritte in der Diagnose und Therapie von Vorhofflimmern zu diskutieren.“

Die teilnehmenden Wissenschaftler:innen werden folgende Themen diskutieren:

  • neue Ergebnisse zum Vorhofflimmer-Screening,
  • Therapiemöglichkeiten bei selten und kurz auftretenden Vorhofrhythmusstörungen, die beispielsweise von einem implantierten Schrittmacher oder einer Smartwatch aufgezeichnet werden,
  • die Rolle einer frühzeitigen rhythmuserhaltenden Behandlung,
  • neue Daten zum Zusammenspiel von Begleiterkrankungen und Vorhofflimmern und der Behandlung des Vorhofflimmerns,
  • innovative Technologien zur Detektion und Behandlung von Vorhofflimmern,
  • die Bedeutung von Schrittmachern und anderen implantierbaren Geräten in der Behandlung von Vorhofflimmern und Herzschwäche
  • sowie aktuelle Ergebnisse der wichtigsten Kongresse des Jahres 2023.

Die Teilnehmer:innen der 9. AFNET/EHRA Konsensuskonferenz kommen aus Europa sowie USA, Kanada und Australien. Die wissenschaftliche Leitung der Tagung besteht aus vier Kardiolog:innen: Prof. Andreas Goette, Paderborn, und Prof. Paulus Kirchhof, Hamburg, beide vom AFNET, sowie Prof. Helmut Pürerfellner, Linz, Österreich, und Prof. Isabell van Gelder, Groningen, Niederlande, von Seiten der EHRA.

Dies ist bereits die neunte Tagung dieser Art. Seit 2007 organisieren AFNET und EHRA alle zwei Jahre gemeinsame Konferenzen, in denen internationale Fachleute ihr Wissen bündeln. Nach ausführlichen Diskussionen veröffentlichen die Wissenschaftler:innen ihre Ergebnisse in einem Konsensusbericht.

Prof. Goette fasst das Ziel der Expert:innen zusammen: „Während der Konferenz werden wir gemeinsam Empfehlungen für eine bessere Behandlung von Vorhofflimmern entwickeln und diese anschließend in einem Positionspapier formulieren. Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse in die zukünftigen Behandlungsleitlinien einfließen, die die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) im nächsten Jahr verabschieden wird.“

Die Konferenz wird vom AFNET, das 2023 sein 20jähriges Bestehen feiert, und der EHRA gemeinsam finanziert und erhält zusätzliche finanzielle Unterstützung vom Forschungskonsortium MAESTRIA, das im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 von der Europäischen Union (EU) gefördert wird (Fördernummer 965286). 

 

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Menschen mit seltenen kurzen Vorhofrhythmusstörungen profitieren nicht von Gerinnungshemmung

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Die vom Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET), Münster, durchgeführte klinische Studie NOAH – AFNET 6 zeigt: Bei Patient:innen mit atrialen Hochfrequenzepisoden (AHRE), aber ohne im EKG dokumentiertes Vorhofflimmern, führt eine Behandlung mit Blutverdünnern („orale Antikoagulation“) zu Blutungen, ohne Schlaganfälle zu verhindern. Dabei war die Zahl der Schlaganfälle mit und ohne Blutverdünnung niedrig. Die Ergebnisse wurden heute beim Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Amsterdam vorgestellt und im New England Journal of Medicine veröffentlicht (1).  

Atriale Hochfrequenzepisoden sind kurze und seltene Rhythmusstörungen, die durch implantierte Herzschrittmacher, Defibrillatoren oder Ereignisrekorder nachgewiesen werden. Bei 10 bis 30 Prozent aller Patient:innen mit implantierten Geräten werden AHRE gefunden (2). AHRE ähneln Vorhofflimmern. Deshalb wird Patient:innen mit AHRE häufig eine Behandlung mit Blutverdünnern (Gerinnungshemmung, Antikoagulation) angeboten, auch ohne im EKG dokumentiertes Vorhofflimmern. Die Wirksamkeit und Sicherheit der Antikoagulation bei Menschen mit AHRE wurde bisher noch nie geprüft (2,3).

Die NOAH – AFNET 6 (Non-vitamin K antagonist Oral anticoagulants in patients with Atrial High rate episodes) Studie hat deswegen untersucht, ob bei Menschen mit AHRE eine gerinnungshemmende Behandlung Schlaganfälle, kardiovaskuläre Todesfälle und Embolien verhindert. In der internationalen Wissenschafts-initiierten klinischen Studie wurde bei Menschen ab 65 Jahren, die AHRE mit einer Dauer von mindestens sechs Minuten und mindestens einen zusätzlichen Schlaganfallrisikofaktor (als Schlaganfallrisikofaktoren gelten Herzschwäche, Bluthochdruck, Diabetes, vorheriger Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke, Gefäßerkrankung oder Alter ab 75 Jahre) hatten, der Gerinnungshemmer Edoxaban mit einem Placebo (Scheinmedikament) verglichen. Dies liegt außerhalb der zugelassenen Indikation für Edoxaban.

Der wissenschaftliche Leiter der NOAH – AFNET 6 Studie Prof. Paulus Kirchhof, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg, erklärt den Hintergrund der Studie: „Ob Blutverdünner auch Menschen mit AHRE vor Schlaganfällen schützen, war bisher nicht bekannt. Obwohl AHRE dem Vorhofflimmern ähneln, zeigt die NOAH – AFNET 6 Studie, dass Menschen mit AHRE besser ohne Blutverdünner behandelt werden.“

Zwischen 2016 und 2022 wurden 2536 Patient:innen in 206 Studienzentren in 18 Europäischen Ländern im Rahmen der NOAH – AFNET 6 Studie untersucht und behandelt. Die Teilnehmer:innen wurden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei gleich großen Gruppen zugeordnet, wobei eine Gruppe gerinnungshemmend behandelt wurde, die andere nicht. Die Teilnehmer:innen der Gerinnungshemmer-Gruppe erhielten Edoxaban in der für die Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern zugelassenen Dosis (60 mg einmal täglich bzw. 30 mg einmal täglich entsprechend den für eine Dosisreduktion bei Vorhofflimmern anerkannten Kriterien). Die andere Gruppe bekam ein Placebo. Dieses enthielt keinen Wirkstoff bei Patient:innen, die kein Aspirin benötigen, oder Aspirin (100 mg täglich), wenn eine Indikation zur Blutplättchenhemmung bestand (3).

Analysiert wurden die Daten von insgesamt 2536 Patient:innen im durchschnittlichen Alter von 78 Jahren. 37 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen. Die Patient:innen hatten zusätzliche Schlaganfallrisikofaktoren (Median CHA2DS2-VASc score 4,0±1,3) und AHRE mit einer medianen Dauer von 2,8 Stunden. Alle Teilnehmer:innen wurden bis zum Ende der Studie nachbeobachtet.

Nachdem die erforderliche Zahl von Patient:innen in die Studie eingeschlossen war, zeichneten sich ein Trend zur Unwirksamkeit und erwartete Sicherheitsbedenken, insbesondere Blutungsereignisse, in der Antikoagulationsgruppe gegenüber der Placebogruppe ab. Daraufhin wurde im September 2022 der Entschluss gefasst, die Studie unter kontrollierten Bedingungen vorzeitig zu beenden. Die Analyse der vollständigen Daten bestätigt nun:

Schlaganfall, systemische Embolie oder kardiovaskulärer Tod trat bei 83 Personen der Antikoagulations-Gruppe und bei 101 Personen der Gruppe ohne Antikoagulation auf (Schlaganfall: 0,9 gegenüber 1,1 Prozent pro Jahr, systemische Embolie: 0,5 gegenüber 1,1 Prozent pro Jahr, kardiovaskulärer Tod: 2,0 gegenüber 2,2 Prozent pro Jahr). Das bedeutet, dass kein Unterschied zwischen beiden Behandlungsgruppen nachweisbar ist (HR 0,81 [0,6;1,08], p=0,15).

Ein schweres Blutungsereignis oder der Tod ereignete sich bei 149 Teilnehmer:innen der Antikoagulations-Gruppe (5,9 Prozent/Jahr) und bei 114 der Gruppe ohne Antikoagulation (4,5 Prozent/Jahr), also häufiger bei den Menschen, die das gerinnungshemmende Medikament einnahmen (HR 1,3 [1,02;1,67], p=0,03). Schwere Blutungen traten in der Antikoagulationsgruppe doppelt so häufig auf wie ohne Gerinnungshemmung (2,1 gegenüber 1,0 Prozent pro Jahr). Dies ist eine bekannte Nebenwirkung von Gerinnungshemmern.

Prof. Kirchhof kommentiert: „Wie erwartet, führt die Gerinnungshemmung mit Edoxaban zu mehr Blutungen. Die niedrige Schlaganfallquote mit und ohne Gerinnungshemmung war unerwartet. Die Ergebnisse der NOAH – AFNET 6 Studie sprechen klar dafür, Vorhofflimmern zuerst im EKG zu bestätigen, bevor eine blutverdünnende Behandlung eingeleitet wird. Auch Smartwatches können seltene Rhythmusstörungen, die dem Vorhofflimmern ähnlich sind, feststellen. Um beurteilen zu können, ob in diesen Fällen eine Blutverdünnung nötig ist, bedarf es weiterer Studien.“

Prof. Andreas Götte, St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn, aus dem Leitungsgremium der NOAH – AFNET 6 Studie sagt abschließend: „Unsere Ergebnisse untermauern Daten aus anderen Studien, die bereits vermuten ließen, dass Gerinnungshemmer bei Patient:innen mit AHRE möglicherweise weniger wirksam Schlaganfälle verhindern als bisher angenommen. Weitere Forschung ist nötig, um herauszufinden, welche Patient:innen mit AHRE ein hohes Schlaganfallrisiko haben und wie sie am besten behandelt werden sollten.“

NOAH – AFNET 6 erhielt finanzielle Unterstützung von Daiichi Sankyo Europe und dem Deutschen Zentrum für Herz- Kreislauf-Forschung (DZHK). Sponsor der Wissenschafts-initiierten Studie ist das AFNET.

 

Literatur

(1) Kirchhof P et al. Anticoagulation with Edoxaban in Patients with Atrial High Rate Episodes. NEJM 25 August 2023. doi: 10.1056/NEJMoa2303062

(2) Toennis T et al. The influence of atrial high rate episodes on stroke and cardiovascular death – an update. Europace 22 June 2023. doi: 10.1093/europace/euad166

(3) Kirchhof P et al. Probing oral anticoagulation in patients with atrial high rate episodes: Rationale and design of the Non–vitamin K antagonist Oral anticoagulants in patients with Atrial High rate episodes (NOAH – AFNET 6) trial, Am Heart J. 2017;190:12-18. doi: 10.1016/j.ahj.2017.04.015

 

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ESC Kongress 2023

Termine mit AFNET Beteiligung: 

25. August 2023, 8:30, "Stockholm", Stroke and bleeding risk in atrial fibrillation: walking the tight rope (Paulus Kirchhof)

Weitere Infos hier

25. August 2023, 11:15, "Amsterdam", Hot Line Session:  NOAH-AFNET 6: Oral anticoagulation in patients with atrial high rate episodes (Paulus Kirchhof)

Weitere Infos hier

25. August 2023, 16:30, "Hub Rembrandt", Ask the Trialist from Hot Line 1:  NOAH-AFNET 6 (Paulus Kirchhof)

Weitere Infos hier

26. August 2023, 8:30, "Stockholm", Great Debate: controversies in atrial fibrillation - early rhythm control and atrial fibrillation burden (Andreas Götte)

Weitere Infos hier

28. August 2023, 08:30, "Stockholm", Novel approaches: how to provide patient-centred atrial fibrillation care (Stephan Willems)

Weitere Infos hier

28. August 2023, 10:15, "Hub Mondrian", Screening for atrial fibrillation: lessons learned (Renate Schnabel)

Weitere Infos hier

Brauchen Menschen mit seltenen kurzen Vorhofrhythmusstörungen eine Blutgerinnungshemmung zur Schlaganfallprävention?

Ein Übersichtsartikel, der von den NOAH – AFNET 6 Wissenschaftlern unter Federführung von Tobias Tönnis vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) veröffentlicht wurde, fasst aktuelle Erkenntnisse zum Einfluss von atrialen Hochfrequenzepisoden auf Schlaganfälle und Herz-Kreislauf-bedingte Todesfälle zusammen (1). Die neuen Forschungsergebnisse legen nahe, dass Blutverdünner möglicherweise weniger wirksam Schlaganfälle verhindern als bisher gedacht.

Implantierbare Geräte und sogenannte Wearables, zum Beispiel Smart-Watches, ermöglichen eine kontinuierliche oder fast kontinuierliche Überwachung des Herzrhythmus. Das führt dazu, dass bei vielen Menschen, insbesondere bei älteren Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kurze Rhythmusstörungen festgestellt werden. Diese Rhythmusstörungen, sogenannte atriale Hochfrequenzepisoden (AHRE), sehen aus wie Vorhofflimmern. Bei Menschen mit Vorhofflimmern bieten Blutverdünner (Antikoagulanzien) erwiesenermaßen einen wirksamen Schutz vor Schlaganfällen. Deshalb werden auch Patient:innen mit AHRE häufig mit Blutverdünnern behandelt.

Dr. Tobias Tönnis vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) erklärt: „Implantierte Schrittmacher, Defibrillatoren oder Herzmonitore können Vorhofrhythmusstörungen kontinuierlich aufzeichnen und quantitativ erfassen. Patient:innen, die ein solches Gerät in sich tragen, sind eine geeignete Studienpopulation zur Untersuchung gelegentlicher Vorhofrhythmusstörungen und deren Auswirkungen bei älteren Menschen. AHRE treten bei 10 bis 30 Prozent der älteren Menschen auf, die kein Vorhofflimmern haben. Wir haben eine Reihe von bisherigen AHRE Studien ausgewertet und den aktuellen Wissensstand zum Schlaganfallrisiko zusammengefasst.“

Es bleibt unklar, ob Antikoagulanzien bei Patient:innen mit AHRE Schlaganfälle verhindern können. Das fehlende Wissen spiegelt sich in den aktuellen Behandlungsleitlinien weltweit wider. Orale Antikoagulanzien werden bei Patient:innen mit AHRE nicht routinemäßig empfohlen, sondern die Entscheidung zur Antikoagulation kann individuell auf der Basis einer klinischen Risikobewertung getroffen werden.

Die ausgewerteten Studien zeigen: AHRE gehen mit einem erhöhten Risiko für Blutgerinnsel einher, auch wenn dieses niedriger ist als bei klinischem Vorhofflimmern. Das Risiko für Blutgerinnsel scheint von der Dauer und Frequenz der AHRE Episoden und von der Zahl und Schwere der Begleiterkrankungen abzuhängen. Kürzlich veröffentlichte Studien lassen vermuten, dass Blutverdünner bei Menschen mit AHRE weniger Schlaganfälle verhindern, als man bisher dachte.

NOAH – AFNET 6 (2), eine kontrollierte klinische Studie, die vom Kompetenznetz Vorhofflimmern (AFNET) durchgeführt wird, untersucht die Wirksamkeit und Sicherheit von Blutverdünnern bei Patient:innen mit AHRE. NOAH – AFNET 6 vergleicht bei Patient:innen ab 65 Jahren mit AHRE und mindestens zwei Schlaganfallrisikofaktoren eine Behandlung mit Edoxaban, einem nicht-Vitamin K-abhängigen oralen Antikoagulanz (NOAK), mit der aktuellen Therapie, bestehend entweder aus einer Blutplättchenhemmung oder gar keiner antithrombotischen Therapie. Die Ergebnisse der Studie werden demnächst veröffentlicht.

Der wissenschaftliche Leiter der NOAH – AFNET 6 Studie, Prof. Paulus Kirchhof, UKE, Hamburg, fasst zusammen: „NOAH – AFNET 6 wird dringend gebrauchte Informationen zur Wirksamkeit und Sicherheit der oralen Antikoagulation bei Menschen mit AHRE liefern. Wir hoffen, dass die neuen Daten mehr Aufschluss über das Thema geben und dass weitere Studien folgen.“

Literatur

(1)    Toennis T et al. The influence of atrial high rate episodes on stroke and cardiovascular death – an update. Europace 22 June 2023. doi: 10.1093/europace/euad166

(2)    Kirchhof et al, Probing oral anticoagulation in patients with atrial high rate episodes: Rationale and design of the Non–vitamin K antagonist Oral anticoagulants in patients with Atrial High rate episodes (NOAH – AFNET 6) trial, Am Heart J. 2017;190:12-18. doi: 10.1016/j.ahj.2017.04.015

 

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