Früher Rhythmuserhalt bei Vorhofflimmern schützt Patient:innen mit vorherigem Schlaganfall vor Komplikationen

Presseinformation

Menschen mit Vorhofflimmern und einer Schlaganfall-Vorgeschichte haben ein hohes Risiko für erneute Schlaganfälle und kardiovaskuläre Komplikationen. Eine Subgruppenanalyse der EAST – AFNET 4 Studie zeigt: Eine frühe rhythmuserhaltende Behandlung ist für diese hoch gefährdete Patient:innengruppe sicher und besonders wirksam. Die Ergebnisse werden auf dem Weltschlaganfallkongress in Singapur am 26.10.2022 vorgestellt. [1], [2].

Die EAST – AFNET 4 Studie (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) hat untersucht, ob eine rhythmuserhaltende Therapie mittels Antiarrhythmika oder Katheterablation, wenn sie im ersten Jahr nach der Diagnose Vorhofflimmern begonnen wird, die Aussichten der Betroffenen verbessert. Das Hauptergebnis der Studie, das 2020 publiziert wurde [3], zeigte, dass eine frühe rhythmuserhaltende Behandlung bei Menschen mit Vorhofflimmern und Begleiterkrankungen kardiovaskuläre Ereignisse um 21 Prozent verringert. Eine frühzeitige rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten und/oder Ablation führte im Vergleich zur üblichen Behandlung zu weniger Todesfällen, Schlaganfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom. In der Studie wurden 2789 Patient:innen mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern (innerhalb eines Jahres nach Diagnose) und kardiovaskulären Risikofaktoren in den beiden Studiengruppen „früher Rhythmuserhalt (early rhythm control (ERC))“ und „übliche Behandlung (usual care (UC))“ über einen Zeitraum von fünf Jahren behandelt und beobachtet.

Dr. Märit Jensen vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE), die die Ergebnisse beim Weltschlaganfallkongress vorgestellt hat, erklärt den Hintergrund dieser Subgruppenanalyse der EAST – AFNET 4 Studie: „Zehn bis fünfzehn Prozent aller Patient:innen mit Vorhofflimmern haben eine Schlaganfall-Vorgeschichte. Sie haben ein sehr hohes Risiko, einen weiteren Schlaganfall oder kardiovaskuläre Komplikationen zu erleiden. Aufgrund ihres Alters, der Begleiterkrankungen und häufig wegen einer dauerhaften Behinderung nach einem Schlaganfall erhalten diese Patient:innen derzeit selten eine rhythmuserhaltende Therapie. Eine systematische frühzeitige rhythmuserhaltende Behandlungsstrategie verhindert Schlaganfälle und kardiovaskuläre Ereignisse bei Menschen mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern. Allerdings sind Menschen mit Vorhofflimmern, die bereits einen Schlaganfall hatten, oft schwach und schwerkrank und könnten möglicherweise ein besonderes Risiko für Nebenwirkungen der rhythmuserhaltenden Therapie haben. Deshalb haben wir hier untersucht, ob eine frühe rhythmuserhaltende Behandlung bei diesen Patient:innen sicher ist und unerwünschte kardiovaskuläre Folgen verhindern kann.“

217 Teilnehmer:innen (7,8 Prozent) der EAST – AFNET 4 Studie hatten eine Schlaganfall-Vorgeschichte. Ihr mittleres Alter lag bei 71 Jahren, der Frauenanteil bei 44 Prozent, der mittlere CHA2DS2-VASc Score (ein Maß für das Schlaganfallrisiko) bei 5. Von diesen 217 Patient:innen gehörten 110 (51 Prozent) der Studiengruppe „früher Rhythmuserhalt“ und 107 (49 Prozent) der Studiengruppe „übliche Behandlung“ an.

Ein primärer Studienendpunkt – definiert als erstes Auftreten eines der Ereignisse Tod aus kardiovaskulärer Ursache, Schlaganfall oder Krankenhausaufenthalt wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder eines akuten Koronarsyndroms – ereignete sich bei 18 Patient:innen der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ (3,7 pro 100 Personenjahre) und bei 33 Patient:innen der Gruppe „übliche Behandlung“ (7,4 pro 100 Personenjahre). Das Verhältnis der Ereignisraten lässt sich beschreiben durch eine Hazard Ratio von 0,52 (95% Konfidenzintervall 0,29 - 0,93).

Ein primäres Sicherheitsereignis – Tod oder Schlaganfall oder eine schwerwiegende unerwünschte Folge der rhythmuserhaltenden Therapie – trat ein bei 17 Patient:innen der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ (16 Prozent) und bei 30 der Gruppe „übliche Behandlung“ (28 Prozent). Die Sterberate war bei den Patient:innen mit frühem Rhythmuserhalt niedriger als bei denen, die die übliche Behandlung erhielten (10 Prozent gegenüber 20 Prozent).

Dr. Jensen kommentiert die Ergebnisse: „Unter den Patient:innen mit Vorhofflimmern und Schlaganfall-Vorgeschichte war die frühe rhythmuserhaltende Behandlung mit einem geringeren Risiko für unerwünschte kardiovaskuläre Folgen verbunden als die übliche Behandlung. Schwerwiegende Komplikationen der antiarrhythmischen Medikamente oder der Vorhofflimmer-Ablation bei früher rhythmuserhaltender Behandlung (3 Prozent) waren nicht häufiger als bei den Studienteilnehmer:innen ohne Schlaganfall-Vorgeschichte (5 Prozent).“

Professor Götz Thomalla, Leiter des Clinical Stroke and Imaging Forschungslabors am UKE und Co-Autor der Studie, sagt: „Diese Subgruppenanalyse verdeutlicht den Nutzen der frühen rhythmuserhaltenden Therapie zur Verhinderung kardiovaskulärer Komplikationen bei Patient:innen mit Vorhofflimmern, die bereits einen Schlaganfall hatten. Das unterstreicht die Bedeutung einer guten Zusammenarbeit zwischen Neurolog:innen und Kardiolog:innen in der Sekundärprävention bei Schlaganfallpatient:innen mit Vorhofflimmern.“

Der wissenschaftliche Leiter der EAST – AFNET 4 Studie, Professor Paulus Kirchhof, UKE, kommt zu dem Schluss: „Die Ergebnisse dieser Analyse zeigen die besondere Wirksamkeit einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern und einer Schlaganfall-Vorgeschichte, einer Subgruppe mit bekanntem hohem Risiko für erneute Schlaganfälle und andere kardiovaskuläre Krankheiten und hohem Sterberisiko. Wichtig ist, der frühe Rhythmuserhalt erscheint genauso sicher wie bei Patient:innen ohne vorherigen Schlaganfall. Unsere Ergebnisse sprechen für eine frühe rhythmuserhaltende Behandlung bei Menschen mit Vorhofflimmern und Schlaganfall-Vorgeschichte zusätzlich zur Antikoagulation und Behandlung kardiovaskulärer Begleiterkrankungen.“

Seit der Veröffentlichung des Hauptstudienergebnisses im Jahr 2020, wurden verschiedene Subgruppenanalysen der EAST – AFNET 4 Studiendaten durchgeführt. Eine davon zeigte, dass der in der EAST – AFNET 4 Studienpopulation erzielte klinische Nutzen der frühen systematischen rhythmuserhaltenden Therapie unabhängig war von unterschiedlichen Behandlungsmustern bei den antiarrhythmischen Medikamenten und der Ablation, die innerhalb der Leitlinien-Empfehlungen angewandt wurden [4]. Andere Subgruppenanalysen belegten den Nutzen des frühen Rhythmuserhalts für Menschen mit Vorhofflimmern und Herzschwäche [5], für Menschen mit asymptomatischem Vorhofflimmern [6], für unterschiedliche Formen des Vorhofflimmerns [7], für Menschen mit mehreren Begleiterkrankungen [8] und für Patient:innen mit einer genetischen Prädisposition [10]. Der Sinusrhythmus wurde als entscheidender Faktor für die Wirksamkeit der frühen rhythmuserhaltenden Therapie identifiziert [9].

Literatur

[1] Jensen M, Suling A, Metzner A, Haeusler KG, Zapf A, Wegscheider K, Fabritz L, Schnabel R, Diener H-C, Goette A, Thomalla G, Kirchhof P. Early rhythm control therapy for atrial fibrillation in patients with history of stroke in the EAST – AFNET 4 trial. WSC Kongress-Abstract

[2] Jensen M, Suling A, Metzner A, Schnabel R, Borof K, Goette A, Haeusler KG, Zapf A, Wegscheider K, Fabritz L, Diener H-C, Thomalla G, Kirchhof P. Early rhythm-control therapy for atrial fibrillation in patients with history of stroke: a secondary analysis from the EAST-AFNET 4 trial. Angenommen, Lancet Neurology

[3] Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, Brandes A, Eckardt L, Elvan A, Fetsch T, van Gelder IC, Haase D, Haegeli LM, Hamann F, Heidbüchel H, Hindricks G, Kautzner J, Kuck K-H, Mont L, Ng GA, Rekosz J, Schön N, Schotten U, Suling A, Taggeselle J, Themistoclakis S, Vettorazzi E, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Crijns HJGM, Breithardt G, for the EAST–AFNET 4 trial investigators. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2020; 383:1305-1316.
DOI: 10.1056/NEJMoa2019422

[4] Metzner A, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Kuck KH, Mont L, Ng GA, Szumowski L, Themistoclakis S, van Gelder IC, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Kirchhof P. Anticoagulation, therapy of concomitant conditions, and early rhythm control therapy: a detailed analysis of treatment patterns in the EAST - AFNET 4 trial. EP Europace 2022; 24:552–564. DOI: 10.1093/europace/euab200

[5] Rillig A, Magnussen C, Ozga, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Gulizia M, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kuck KH, Ng GA, Szumowski L, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Early rhythm control therapy in patients with heart failure. Circulation 2021;144(11):845-858. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056323

[6] Willems S, Borof K, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Gessler N, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Ng GA, Schnabel R, Suling A, Szumowski L, Themistoclakis S, Vardas P, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Systematic, early rhythm control therapy equally improves outcomes in asymptomatic and symptomatic patients with atrial fibrillation: the EAST-AFNET 4 Trial. Eur Heart J. 2022; 43:1219-1230. DOI: 10.1093/eurheartj/ehab593.

[7] Goette a, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns H, Kuck KH, Wegscheider K, Kirchhof P, MD. Effect of atrial fibrillation presentation on early rhythm control therapy. J Am Coll Cardiol. 2022; 80:283-95. DOI: 10.1016/j.jacc.2022.04.058

[8] Rillig A, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Goette A, Kuck KH, Metzner A, Vardas P, Vettorazzi E, Wegscheider K, Zapf A, Kirchhof P. Early rhythm control in patients with atrial fibrillation and high comorbidity burden. Circulation. 15 Aug 2022. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.060274

[9] Eckardt L, Sehner S, Suling A, Borof K, Breithardt G, Crijns HJGM, Goette A, Wegscheider K, Zapf A, Camm AJ, Metzner A, Kirchhof P. Attaining sinus rhythm mediates improved outcome with early rhythm control therapy of atrial fibrillation: the EAST – AFNET 4 trial. Eur Heart J, 2022. DOI: 10.1093/eurheartj/ehac471

[10] Kany S, Al-Taie C, Roselli C, Pirruccello JP, Borof K, Reinbold C, Suling A, Krause L, Reissmann B, Schnabel R, Zeller T, Zapf A, Wegscheider K, Fabritz L, Ellinor PT, Kirchhof P. Association of genetic risk and outcomes in patients with early rhythm control therapy in atrial fibrillation: results from the EAST-AFNET4 study. Eingereicht

 

Twitter: @afnet_ev, hashtag #EASTtrial.

Finanzielle Unterstützung: AFNET, BMBF, DZHK, EHRA, Deutsche Herzstiftung, Abbott, Sanofi

 

EAST – AFNET 4 Studie

EAST – AFNET 4 ist eine wissenschaftsinitiierte Studie, in der zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindert als die übliche Behandlung.

Insgesamt 2789 Menschen mit frühem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr nach der ersten Diagnose) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer:innen wurden einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder „übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (Randomisierung). Die Patient:innen in beiden Gruppen erhielten eine leitlinienkonforme Therapie, bestehend aus der Behandlung ihrer kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und Frequenzregulierung.

Alle Patient:innen der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation. Sobald bei einem Mitglied dieser Gruppe Vorhofflimmern erneut auftrat, wurde die Therapie intensiviert mit dem Ziel, den normalen Sinusrhythmus durch eine Katheterablation und/oder antiarrhythmische Medikamente wiederherzustellen und möglichst dauerhaft zu erhalten.

Patient:innen der Gruppe „übliche Behandlung“ erhielten nur dann eine rhythmuserhaltende Therapie, wenn diese notwendig war, um durch Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz leitlinienkonformer frequenzregulierender Behandlung auftraten.

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)

Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und den USA durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gefördert.
www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de

 

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Mendelstraße 11
48149 Münster
Tel.: 0251 9801330
info@kompetenznetz-vorhofflimmern.de

 

Pressekontakt

Dr. Angelika Leute

Tel: 0202 2623395

a.leute@t-online.de