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Subanalyse der EAST – AFNET 4 Studie: Früher Rhythmuserhalt nützt Menschen mit Vorhofflimmern und Begleiterkrankungen

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Subanalyse der EAST – AFNET 4 Studie: Früher Rhythmuserhalt nützt Menschen mit Vorhofflimmern und Begleiterkrankungen

Bei Menschen mit Vorhofflimmern und zusätzlichen Erkrankungen (CHA2DS2-VASc score ≥4) verhindert eine frühzeitig eingeleitete rhythmuserhaltende Therapie kardiovaskuläre Komplikationen besser als die übliche Behandlung. Diese Patient:innen sollten vorrangig mit rhythmuserhaltenden Maßnahmen behandelt werden, um kardiovaskulären Folgeschäden vorzubeugen. Zu diesem Ergebnis kam eine Subgruppenanalyse der EAST – AFNET 4 Studie. Dr. Andreas Rillig, Universitäres Herz- und Gefäßzentrum UKE, Hamburg, präsentierte die Subanalyse am 29.04.2022 beim Heart Rhythm Kongress in San Francisco, USA [1], [2].

Eine rhythmuserhaltende Therapie kann das Wiederauftreten von Vorhofflimmern verhindern. Im klinischen Alltag wird sie aber bisher hauptsächlich relativ jungen und gesunden Menschen angeboten. Die EAST – AFNET 4 (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) Studie hat gezeigt, dass bei Patient:innen mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern und zusätzlichen Erkrankungen rhythmuserhaltende Maßnahmen, wenn sie in einem frühen Stadium des Vorhofflimmerns begonnen werden, kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindern als die übliche Behandlung. Die Wirksamkeit und Sicherheit des frühen Rhythmuserhalts bei älteren Menschen mit multiplen kardiovaskulären Begleiterkrankungen wurden in der vorliegenden Subanalyse ermittelt.  

Die EAST – AFNET 4 Studie hat untersucht, ob eine rhythmuserhaltende Therapie mittels Antiarrhythmika oder Katheterablation, wenn sie im ersten Jahr nach der Diagnose Vorhofflimmern begonnen wird, die Prognose der Betroffenen verbessert. Das Hauptergebnis der Studie, das im vorigen Jahr publiziert wurde [3], zeigte einen Nutzen des frühen Rhythmuserhalts für alle Patient:innen. Eine frühzeitige rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten und/oder Ablation führte im Vergleich zur üblichen Behandlung zu weniger Todesfällen, Schlaganfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom. In der Studie wurden 2789 Patient:innen mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern (innerhalb eines Jahres nach Diagnose) und kardiovaskulären Risikofaktoren in den beiden Studiengruppen „früher Rhythmuserhalt (early rhythm control (ERC))“ und „übliche Behandlung (usual care (UC))“ über einen Zeitraum von fünf Jahren behandelt und beobachtet.

In der aktuellen Subgruppen-Analyse verglichen die EAST – AFNET 4 Wissenschaftler:innen die Wirksamkeit des frühen Rhythmuserhalts bei Patient:innen mit mehr oder weniger Begleiterkrankungen. Studienleiter Professor Paulus Kirchhof vom Universitären Herz- und Gefäßzentrum UKE, Hamburg, erklärt: „Üblicherweise neigen wir dazu, eine rhythmuserhaltende Therapie verhältnismäßig jungen und gesunden Patient:innen mit Vorhofflimmern anzubieten. Diese Subanalyse gibt uns nun die Möglichkeit, die Wirksamkeit und Sicherheit einer frühen rhythmuserhaltenden Behandlung bei Menschen mit weniger Begleiterkrankungen und Menschen mit vielen Begleiterkrankungen zu vergleichen.“

Die Analyse umfasste 1093 Personen mit vielen Begleiterkrankungen (CHA2DS2-VASc ≥4) in einem Durchschnittsalter von 74.8±6.8 Jahren sowie 1696 Personen mit weniger Begleiterkrankungen (CHA2DS2-VASc <4) im Alter von 67.4±8.0 Jahren. 61 Prozent der ersten Gruppe und 37 Prozent der zweiten Gruppe waren Frauen.

Der CHA2DS2-VASc Score ist ein Maß für die gesundheitliche Belastung und das Schlaganfallrisiko durch Krankheiten wie Herzschwäche, Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfall und Gefäßerkrankung, wobei auch Alter und Geschlecht mitberücksichtigt werden. Je mehr Begleiterkrankungen, desto höher ist der CHA2DS2-VASc Score.

In der Gruppe mit hohem CHA2DS2-VASc Score ereignete sich der primäre Studienendpunkt (kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall oder Krankenhausaufenthalt wegen Verschlechterung der Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom) unter früher rhythmuserhaltender Therapie seltener als unter üblicher Behandlung: 5,5 gegenüber 8,4 Ereignisse pro 100 Patient:innenjahre. Im Gegensatz dazu sorgte in der Gruppe mit niedrigerem CHA2DS2-VASc Score die frühe rhythmus­erhaltende Therapie nicht für eine Reduktion der Ereignisse: 3,0 gegenüber 3,2 Ereignisse pro 100 Patient:innenjahre.

Der primäre Sicherheitsendpunkt (Tod, Schlaganfall oder Komplikationen der rhythmuserhaltenden Therapie) ereignete sich bei den Patient:innen mit CHA2DS2-VASc ≥4 unter früher rhythmus­erhaltender Therapie etwa gleich häufig wie unter üblicher Behandlung: 112/549 Ereignisse (20,4 Prozent) gegenüber 132/544 Ereignisse (24,3 Prozent). Aber bei den Patient:innen mit CHA2DS2-VASc <4 traten unter früher rhythmuserhaltender Therapie mehr Ereignisse auf als unter üblicher Behandlung: 119/846 (14,1%) gegenüber 91/850 (10,7%), hauptsächlich auf Grund von Ereignissen durch einen zu langsamen Herzschlag. Lebensbedrohliche Komplikationen oder die Gesamtmortalität unterschieden sich nicht in den beiden Gruppen.

Dr. Rillig fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen: „Diese Subanalyse der EAST – AFNET 4 Studie zeigt: Patient:innen mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern und vielfältigen kardiovaskulären Begleiterkrankungen sollten vorrangig Zugang zu einer rhythmuserhaltenden Therapie bekommen, um kardiovaskuläre Folgeschäden zu verhindern. Obwohl es keine Unterschiede hinsichtlich der lebensbedrohlichen Ereignisse gab, betonen unsere Ergebnisse die Notwendigkeit, sicherere Technologien der Vorhofflimmerablation als auch sicherere Methoden der medikamentösen anti­arrhythmischen Therapie zu entwickeln. Um die Resultate zu validieren, brauchen wir weitere spezielle Studien.“

Seit der Veröffentlichung des Hauptstudienergebnisses im Jahr 2020, wurden verschiedene Subgruppenanalysen der EAST – AFNET 4 Studiendaten durchgeführt. Eine davon zeigte, dass der in der EAST – AFNET 4 Studienpopulation erzielte klinische Nutzen der frühen systematischen rhythmuserhaltenden Therapie unabhängig war von unterschiedlichen Behandlungsmustern bei den antiarrhythmischen Medikamenten und der Ablation, die innerhalb der Leitlinien-Empfehlungen angewandt wurden [4]. Andere Subgruppenanalysen belegten den Nutzen des frühen Rhythmus­erhalts für Menschen mit Vorhofflimmern und Herzschwäche [5], für Menschen mit asymptomatischem Vorhofflimmern [6] und bei unterschiedlichen Formen des Vorhofflimmerns, nämlich persistierendem, paroxysmalem und erstmals diagnostiziertem Vorhofflimmern [7].

 

Literatur

[1] Rillig A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns H, Goette A, Kuck KH, Metzner A, Vardas P, Vettorazzi E, Wegscheider K, Zapf A, Kirchhof P. Early rhythm control in patients with atrial fibrillation according to CHA2DS2-VASc score and age. Late Breaking Clinical Trials Abstract, HRS Congress 2022

[2] Rillig A, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Goette A, Kuck KH, Metzner A, Vardas P, Vettorazzi E, Wegscheider K, Zapf A, Kirchhof P. Early rhythm control in patients with atrial fibrillation and high comorbidity burden. Eingereicht

[3] Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, Brandes A, Eckardt L, Elvan A, Fetsch T, van Gelder IC, Haase D, Haegeli LM, Hamann F, Heidbüchel H, Hindricks G, Kautzner J, Kuck K-H, Mont L, Ng GA, Rekosz J, Schön N, Schotten U, Suling A, Taggeselle J, Themistoclakis S, Vettorazzi E, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Crijns HJGM, Breithardt G, for the EAST–AFNET 4 trial investigators. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2020; 383:1305-1316.
DOI: 10.1056/NEJMoa2019422

[4] Metzner A, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Kuck KH, Mont L, Ng GA, Szumowski L, Themistoclakis S, van Gelder IC, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Kirchhof P. Anticoagulation, therapy of concomitant conditions, and early rhythm control therapy: a detailed analysis of treatment patterns in the EAST - AFNET 4 trial. EP Europace 2022; 24:552–564. DOI: 10.1093/europace/euab200

[5] Rillig A, Magnussen C, Ozga, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Gulizia M, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kuck KH, Ng GA, Szumowski L, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Early rhythm control therapy in patients with heart failure. Circulation 2021;144(11):845-858. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056323

[6] Willems S, Borof K, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Gessler N, Goette A, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kautzner J, Ng GA, Schnabel R, Suling A, Szumowski L, Themistoclakis S, Vardas P, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Systematic, early rhythm control therapy equally improves outcomes in asymptomatic and symptomatic patients with atrial fibrillation: the EAST-AFNET 4 Trial. Eur Heart J. 2022;43:1219-1230. DOI: 10.1093/eurheartj/ehab593.

[7] Goette a, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns H, Kuck KH, Wegscheider K, Kirchhof P, MD. Effect of atrial fibrillation presentation on early rhythm control therapy. J Am Coll Cardiol, im Druck.

Twitter: @afnet_ev, hashtag #EASTtrial.

Finanzielle Unterstützung: AFNET, BMBF, DZHK, EHRA, Deutsche Herzstiftung, Abbott, Sanofi

 

EAST – AFNET 4 Studie

EAST – AFNET 4 ist eine wissenschaftsinitiierte Studie, in der zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindert als die übliche Behandlung.

Insgesamt 2789 Menschen mit frühem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr nach der ersten Diagnose) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer:innen wurden einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder „übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (Randomisierung). Die Patient:innen in beiden Gruppen erhielten eine leitlinienkonforme Therapie, bestehend aus der Behandlung ihrer kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und Frequenzregulierung.

Alle Patient:innen der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation. Sobald bei einem Mitglied dieser Gruppe Vorhofflimmern erneut auftrat, wurde die Therapie intensiviert mit dem Ziel, den normalen Sinusrhythmus durch eine Katheterablation und/oder antiarrhythmische Medikamente wiederherzustellen und möglichst dauerhaft zu erhalten.

Patient:innen der Gruppe „übliche Behandlung“ erhielten nur dann eine rhythmuserhaltende Therapie, wenn diese notwendig war, um durch Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz leitlinienkonformer frequenzregulierender Behandlung auftraten.

 

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)

Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und den USA durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gefördert.
www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Mendelstraße 11
48149 Münster
Tel.: 0251 9801330
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Smart in OAC - AFNET 9

Das Design Paper wurde erfolgreich im "Frontiers in cardiovascular medicine" veröffentlicht. Dieses können Sie hier einsehen.

EAST-AFNET 4 @ EHRA 2022

Die neuesten Ergebnisse der EAST-AFNET 4 Studie werden auf dem diesjährigen EHRA Kongress 2022 präsentiert:

Late Breaking Clinical Trials II
Atrial fibrillation - News on ablation and sex differences
04.04.2022 | 18:15 - 19:15 Uhr (CEST), Raum 1
Vorsitzende: Tatjana Potpara
Veranstaltungslink

Ärzt:innen leiden unter der Pandemie

Presseinformation

Die seit fast zwei Jahren anhaltende Covid‐19-Pandemie bedeutet für Ärzt:innen eine bisher einzigartige Belastungssituation verbunden mit großen physischen und psychischen Herausforderungen. Wie beeinflusst die Covid-19-Pandemie das ärztliche Handeln? Der Kardiologe Prof. Andreas Goette, St. Vincenz‐Krankenhaus Paderborn, und der Psychosomatiker Prof. Karl-Heinz Ladwig, Technische Universität München, haben dazu in Kooperation mit dem Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) und der Ärztekammer Westfalen-Lippe eine Befragung unter Ärzt:innen durchgeführt. Erste Ergebnisse dieser Studie zeigen gravierende Auswirkungen der Pandemie auf die befragten Mediziner:innen und deren Tätigkeit.

Wie erleben Ärzt:innen ihr eigenes Handeln in der Pandemie? Wie gehen sie mit den besonderen Herausforderungen um? Mediziner:innen unterschiedlicher Fachrichtungen äußerten dazu ihre persönliche Einschätzung im Rahmen einer anonymisierten Online‐Befragung. Sie beantworteten Fragen zu ihrer Lebenssituation, zu den von ihnen behandelten Patient:innen sowie zu den Belastungen, denen sie selbst ausgesetzt waren.

„Im vorigen Jahr wurde immer häufiger von überlasteten und erschöpften Ärzt:innen berichtet. Wir wollten das Problem mit wissenschaftlichen Methoden untersuchen. Deshalb haben wir uns entschlossen, diese systematische Studie durchzuführen“, erklärt Studienleiter Prof. Goette. Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V., dessen Vorstand Prof. Goette angehört, hat dabei Aufgaben des Projektmanagements übernommen.

1476 ärztliche Mitglieder der Ärztekammer Westfalen‐Lippe nahmen im Zeitraum vom 16.11. bis 31.12.2021 an der Online-Befragung teil. Die Teilnehmer:innen sind etwa zur Hälfte Krankenhausund zur Hälfte niedergelassene Ärzt:innen. Sie arbeiten in Kliniken und Praxen der Fachgebiete Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie sowie Kinder- und Jugendheilkunde. Die meisten von ihnen haben bereits mehr als zehn Jahre Berufserfahrung.

Die Mehrheit (84 Prozent) der Teilnehmer:innen der Umfrage hatte selbst Covid-19-Patient:innen behandelt. Nach Aussage der Befragten ging dies mit großen Einschränkungen im Arbeitsalltag einher. Rund drei Viertel fühlten sich in ihrer Arbeit beeinträchtigt und berichteten, die akute Behandlung von Nicht-Covid-19-Patienten sei eingeschränkt, wobei 52 Prozent „etwas eingeschränkt“ angaben, 29 Prozent „stark eingeschränkt“.

Nach Einschätzung der befragten Ärzt:innen konnte in etwa einem Drittel der Fälle die Patient:innenwürde nicht gewahrt werden. 43 Prozent fühlten sich durch externe Vorgaben in ihrem ärztlichen Handeln behindert.

Die besonderen Belastungen während der Pandemie hatten schwerwiegende Konsequenzen: Rund 60 Prozent der befragten Ärzt:innen fühlten sich hilflos. Mehr als die Hälfte der Befragten litt an Schlafstörungen und über drei Viertel berichteten über Erschöpfungssymptome und sogenannte „Mitgefühlsmüdigkeit“ (compassion fatigue) in der ärztlichen Arbeit. Klinische Anzeichen einer Depression zeigten sich bei 12 Prozent der Befragten und Anzeichen einer Angststörung bei weiteren 12 Prozent. Nach dieser ersten Datenauswertung sind die Beeinträchtigungen bei den Krankenhausärzt:innen ausgeprägter als bei den Niedergelassenen.

Prof. Ladwig fasst zusammen: „Die ersten Ergebnisse der Studie zeigen deutlich: Die Pandemie und insbesondere die Behandlung von Covid-19-Patient:innen hat gravierende Folgen für die ärztliche Arbeit. Sogar die Würde der Patient:innen kann in vielen Fällen nicht mehr respektiert werden. Dadurch wird das ärztliche Handeln in seinen ethischen Grundzügen in Frage gestellt. Und wie wir sehen, gehen die extremen Belastungen auch an erfahrenen Mediziner:innen nicht spurlos vorüber, sondern führen zu schwer beherrschbarem psychosozialem Stress. Verbreitete Hilflosigkeit bei Ärzt:innen, einer Berufsgruppe, die es eigentlich gewohnt ist, Situationen zu beherrschen und zu meistern, ist alarmierend.“

Die wissenschaftliche Publikation der Studie ist zurzeit in Vorbereitung. Prof. Götte erläutert: „Wir arbeiten an einigen speziellen Datenauswertungen, um beispielsweise folgende Fragen zu beantworten: Wie unterscheiden sich die Auswirkungen der Pandemie bei Klinikärzt:innen und Niedergelassenen? Wie wirkt sich die Berufserfahrung aus? Gibt es beim Einfluss der Pandemie auf das ärztliche Handeln geschlechtsspezifische Unterschiede?“

 

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)

Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und den USA durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gefördert.

www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de

 

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EAST – AFNET 4 Studie: Patienten mit erstmals diagnostiziertem Vorhofflimmern profitieren von frühem Rhythmuserhalt

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Eine frühe rhythmuserhaltende Behandlung nützt Patienten mit Vorhofflimmern unabhängig von der Art des Vorhofflimmerns. Patienten mit erstmals diagnostiziertem Vorhofflimmern profitieren vom frühen Rhythmuserhalt ebenso wie Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern. Das ist das Ergebnis einer Subgruppen-Analyse der EAST – AFNET 4 Studie, die von Professor Andreas Goette, St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn, beim Kongress der American Heart Association (AHA) am 14.11.2021 in Boston vorgestellt wurde [1].

Kardiovaskuläre Komplikationen treten besonders häufig im ersten Jahr nach der Diagnose Vorhofflimmern auf. Die aktuellen Leitlinien für die Behandlung von Vorhofflimmern empfehlen eine Antikoagulation (Gerinnungshemmung) und eine Behandlung der kardiovaskulären Begleiterkrankungen bei allen Patienten mit Vorhofflimmern, während der Erhalt des Sinusrhythmus bisher nicht als First-Line-Behandlung gilt. In der EAST – AFNET 4 Studie wurde der Nutzen einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie für die gesamte Studienpopulation beobachtet. Ob die Art des Vorhofflimmerns Einfluss auf die Wirkung der rhythmuserhaltenden Therapie hat, ist nicht bekannt.

Die EAST – AFNET 4 Studie hat untersucht, ob eine rhythmuserhaltende Therapie mittels Antiarrhythmika oder Katheterablation, wenn sie im ersten Jahr nach der Diagnose Vorhofflimmern begonnen wird, die Prognose der Patienten verbessert. Das Hauptergebnis der Studie, das im vorigen Jahr publiziert wurde [2], zeigte einen Nutzen des frühen Rhythmuserhalts für alle Patienten: Eine frühzeitige rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten und/oder Ablation führte im Vergleich zur üblichen Behandlung zu weniger Todesfällen, Schlaganfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom. In der Studie wurden 2789 Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern (innerhalb eines Jahres nach Diagnose) und kardiovaskulären Risikofaktoren in den beiden Studiengruppen „früher Rhythmuserhalt“ und „übliche Behandlung“ über einen Zeitraum von fünf Jahren behandelt und beobachtet.

In der aktuellen EAST – AFNET 4 Substudie haben Prof. Goette und Kollegen die Wirkung einer früher rhythmuserhaltenden Therapie bei drei Gruppen von Patienten mit unterschiedlichen Vorhofflimmerarten analysiert. Die erste Gruppe besteht aus 1048 Patienten mit erstmals diagnostiziertem Vorhofflimmern, das heißt Patienten, die innerhalb von sieben Tagen nach ihrer ersten Vorhofflimmerepisode eingeschlossen wurden. Die anderen beiden Gruppen sind 2042 Patienten mit paroxysmalem (anfallsartigem) und 743 Patienten mit persistierendem (anhaltendem) Vorhofflimmern. Die Wissenschaftler untersuchten die Wirkung einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie in jeder Gruppe und verglichen die Wechselwirkungen zwischen der Art des Vorhofflimmerns und den Folgen wie Herztod, Schlaganfall, Herzschwäche, akutes Koronarsyndrom, Krankenhausaufenthalte, andere schwere Komplikationen und Todesfälle jeglicher Ursache. Veränderungen in der Lebensqualität wurden ebenfalls verglichen.

Patienten mit erstmals diagnostiziertem Vorhofflimmern wurden öfter stationär aufgenommen (24%) als solche mit persistierendem (14%) oder paroxysmalem (11%) Vorhofflimmern. Der CHA2DS2VASc Score (ein Maß für das Schlaganfallrisiko) war in allen drei Gruppen ähnlich. Es gab keine wesentlichen Unterschiede in der Antikoagulation und der Behandlung von Begleiterkrankungen. Der frühe Rhythmuserhalt reduzierte kardiovaskuläre Komplikationen bei allen Arten von Vorhofflimmern. Die Zahl der im Krankenhaus verbrachten Nächte und die der Krankenhauseinweisungen auf Grund eines akuten Koronarsyndroms waren bei den Patienten mit erstmals diagnostiziertem Vorhofflimmern, die der Studiengruppe „früher Rhythmuserhalt“ angehörten, erhöht gegenüber denen der Studiengruppe „übliche Behandlung“. Bei Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern gab es dagegen keinen Unterschied zwischen den beiden Studiengruppen.

Prof. Goette fasst die Ergebnisse zusammen: „Der Nutzen des frühen Rhythmuserhalts hat sich in der EAST – AFNET 4 Studie als unabhängig von der Art des Vorhofflimmerns herausgestellt. Wir haben allerdings einen Unterschied in der Hospitalisierungsrate gefunden. Patienten mit erstmals diagnostiziertem Vorhofflimmern verbrachten mehr Zeit im Krankenhaus und wurden öfter wegen eines akuten Koronarsyndroms eingewiesen, wenn sie der Studiengruppe „früher Rhythmuserhalt“ angehörten.“ Vollständig pathophysiologisch erklären können sich die Wissenschaftler diesen Befund noch nicht. Ihr bisheriges Fazit lautet: „Unserer Ansicht nach sollte die Entscheidung für eine frühzeitige rhythmuserhaltende Behandlung nicht von der Art des Vorhofflimmerns abhängig gemacht werden.“

 

Literatur

[1] Goette A, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Kuck KH, Wegscheider K, Kirchhof P for the EAST – AFNET 4 investigators. Patients with first diagnosed atrial fibrillation are at high risk of cardiovascular events and suitable for early rhythm control: The EAST-AFNET 4 trial. Abstract AHA congress 2021

[2] Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, Brandes A, Eckardt L, Elvan A, Fetsch T, van Gelder IC, Haase D, Haegeli LM, Hamann F, Heidbüchel H, Hindricks G, Kautzner J, Kuck K-H, Mont L, Ng GA, Rekosz J, Schön N, Schotten U, Suling A, Taggeselle J, Themistoclakis S, Vettorazzi E, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Crijns HJGM, Breithardt G, for the EAST–AFNET 4 trial investigators. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2020; 383:1305-1316.
DOI: 10.1056/NEJMoa2019422

 

Twitter: @afnet_ev, hashtag #EASTtrial.

 

Finanzielle Unterstützung: AFNET, BMBF, DZHK, EHRA, Deutsche Herzstiftung, Abbott, Sanofi

 

 

EAST – AFNET 4 Studie

EAST – AFNET 4 ist eine wissenschaftsinitiierte Studie, in der zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende rhythmuserhaltende Therapie bei Patienten mit Vorhofflimmern kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindert als die übliche Behandlung.

Insgesamt 2789 Patienten mit frühem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr nach der ersten Diagnose) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer wurden einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder „übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (Randomisierung). Die Patienten in beiden Gruppen erhielten eine leitlinienkonforme Therapie, bestehend aus der Behandlung ihrer kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und Frequenzregulierung.

Alle Patienten der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation. Sobald bei einem Patienten dieser Gruppe Vorhofflimmern erneut auftrat, wurde die Therapie intensiviert mit dem Ziel, den normalen Sinusrhythmus durch eine Katheterablation und/oder antiarrhythmische Medikamente wiederherzustellen und möglichst dauerhaft zu erhalten.

Patienten der Gruppe „übliche Behandlung“ erhielten nur dann eine rhythmuserhaltende Therapie, wenn diese notwendig war, um durch Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz leitlinienkonformer frequenzregulierender Behandlung auftraten.

 

Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)

Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler und Ärzte aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und den USA durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gefördert.

www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de

 

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